Europa League

Sahin startet Karriere neu

Dortmund: Ein Abend für die Geschichtsbücher

Sahin startet Karriere neu

Überraschendes und umjubeltes Comeback gegen Porto: Borussia Dortmunds Nuri Sahin.

Überraschendes und umjubeltes Comeback gegen Porto: Borussia Dortmunds Nuri Sahin. imago

Der Europa-League-Abend im ausverkauften Signal Iduna Park erzählte Geschichten, wie sie vielleicht nur der Fußball schreibt. Ein Kapitel erzählt von Lukasz Piszczek, der am Wochenende zum zweiten Mal Vater einer Tochter geworden ist und den Abend mit seinem ersten Europapokal-Tor seit sechseinhalb Jahren einleitet. Eine Welle des Glücks überschwemmt den polnischen Außenverteidiger, und damit ergeht es ihm ähnlich wie Nuri Sahin, aber davon später mehr.

Erst soll von Marco Reus die Rede sein, der wieder einmal emotionale Grenzerfahrungen macht. Als Portos Abwehrspieler Silvestre Varela ihn in der 58. Minute rücksichtslos foult, entstehen in den Köpfen aller Beobachter schlimme Bilder: Reus ist ein "gebranntes Kind", wie es in einer Redensart heißt, häufig ein Opfer fieser Attacken, ein paar Mal schwer verletzt. Minutenlang wird er am rechten Fuß behandelt, krümmt sich vor Schmerzen, aber er berappelt sich wieder, läuft erst noch unrund und dann wieder sehr schnell. Dass ausgerechnet ihm später das entscheidende 2:0 glückt, belegt den Wahrheitsgehalt einer anderen Redensart: Rache schmeckt süß.

Tosender Beifall für Sahin

Nuri Sahin sitzt zu diesem Zeitpunkt längst wieder auf der Bank. Der Trainer hat seinen Dienst nach einer knappen Stunde für beendet erklärt, unter dem tosenden Beifall der Zuschauer hat der 27-Jährige den Platz verlassen. Sein Comeback war ein so gut gehütetes Geheimnis, dass nicht einmal er selbst davon wusste: Noch am Donnerstagmorgen stellte sich Sahin vor der Fahrt zum Training auf ein weiteres Spiel ohne sein Mitwirken ein, nichtsahnend, dass Ehefrau Tugba heimlich einen gepackten Koffer in seinem Auto verstaut hatte. "Da hatte sie einen Geistesblitz", erzählte Sahin lachend.

"Nicht nachdenken! Einfach rein."

Tuchel überrumpelte den lange vermissten Mittelfeldstar, der vorher zuletzt am 28. Februar 2015 (3:0 gegen Schalke) seinem Beruf nachgegangen war und zu Wochenbeginn noch unter einer Mandelentzündung gelitten hatte. Ins kalte Wasser geworfen zu werden, "war genau das, was ich gebraucht habe", verriet Sahin, seine Rückkehr stand unter dem Motto: "Nicht nachdenken! Einfach rein."

Nach fast einjähriger Leidenszeit, einer Leistenverletzung und diversen Rückschlägen spielte, dirigierte, passte Sahin, als sei er nicht eine gefühlte Ewigkeit ausgefallen, sondern nur mal kurz beim Bäcker gewesen. "Wir konnten ihn nach fantastischen Trainingsleistungen nicht mehr zurückhalten", berichtete Tuchel, der so oft in den vergangenen Monaten betont hatte, welche "herausragende Bedeutung" der türkische Nationalspieler noch haben werde. Die 58-Minuten-Show, mit der Sahin seine Karriere neu startete, wertete der Trainer als "große Leistung, sich nach einer so langen Pause so auf den Platz zu stellen".

Kapitän Mats Hummels hatte bei seiner Analyse auch das große Ganze im Sinn, als er lange nach Abpfiff die Rückkehr eines "herausragenden Spielers" würdigte. Dass Sahins Comeback geglückt ist, sei "für uns großartig", sagte Hummels, "mit ihm haben wir noch eine weitere sehr gute Option". The Boss is back. Und fühlte sich hinterher "überraschend gut".

Thomas Hennecke

Bilder zur Partie Borussia Dortmund - FC Porto