Nationalelf

Mutige Notelf erobert Wembley

2:1 bringt Prestige und Perspektive

Mutige Notelf erobert Wembley

Geschafft! Joachim Löw ballt nach dem Schlusspfiff triumphierend die Faust.

Geschafft! Joachim Löw ballt nach dem Schlusspfiff triumphierend die Faust. dpa

Zumal Deutschland, in regulärer Spielzeit, erstmals seit 7. Oktober 2000 (1:0 im alten Wembley) einen "Großen" schlug.

Auf eine sogar noch unerfahrenere Besetzung hatte Löw zuletzt im März gegen Dänemark (0:1) gesetzt, damals freiwillig. Diesmal war er zum Experimentieren gezwungen - und gewann deutlich mehr Erkenntnisse. In Abwesenheit des Herzstücks Ballack-Frings (sowie Schweinsteigers und Borowskis) nutzten in der Zentrale Akteure aus dem zweiten Glied die Chance, Signale zu setzen. Etwa Thomas Hitzlsperger, der nach dem frühen Rückstand als Erster mit kraftstrotzenden Aktionen den Widerstand organisierte. Oder Piotr Trochowski, giftig und mit Riesen-Laufpensum. Erst Recht der etatmäßige Außenverteidiger Philipp Lahm, der fußballerische wie strategische Klasse fürs Mittelfeld nachwies.

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Automatismen fehlten naturgemäß. Doch bewiesen auch die Greenhorns Courage und Aggressivität. Bester Ausdruck dieser vom Bundestrainer ("nach vorne spielen, ein, zwei Tore schießen") erwünschten Geisteshaltung: Das spektakuläre 2:1 des schussgewaltigen Debütanten Christian Pander. Der Schalker hatte sich von seinem Defensiv-Patzer vorm 0:1 nicht ins Bockshorn jagen lassen. "Uns war klar, dass die Jungs das Potenzial haben", sagt Löw. "Die Frage war, ob sie es umsetzen könnten." Sie konnten. Und geben ihrem Coach das beruhigende Gefühl, auf erprobte Alternativen zurückgreifen zu können, wenn demnächst wieder der Ernstfall ansteht.

In zweieinhalb Wochen zum Beispiel, wenn es um wichtige Punkte in der EM-Qualifikation geht. Schon heute steht fest, dass die Personallage auch in Wales angespannt sein wird. Gerade in Mittelfeld und Angriff. Bastian Schweinsteiger sowie Clemens Fritz dürften zwar zurück sein, aber: Torsten Frings und Tim Borowski fehlen sicher, bei Miroslav Klose und Lukas Podolski droht ein Wettlauf mit der Zeit. Und ob Kapitän Michael Ballack rechtzeitig in wettkamptauglicher Verfassung sein wird? Dies ist angesichts des von rätselhaften Komplikationen begleiteten Heilungsverlaufs am Anfang Mai operierten Sprunggelenk völlig ungewiss. Verlässliche Informationen darüber sind weder von Ballack selbst noch aus seinem Umfeld zu erhalten. Das wiederum nährt den Verdacht, dass die OP-Narbe, obwohl vor sieben Wochen in München geglättet, noch immer Probleme bereitet. Und auch im Fall Mario Gomez bleiben Fragezeichen. Bereits seit gut vier Wochen, ungewöhnlich lange, plagt sich der Fußballer des Jahres mit einer als Muskelverhärtung diagnostizierten Oberschenkel-Verletzung herum. Womöglich ein gutes Omen: So viele Akteure wie in Wembley, ebenfalls elf, fehlten zuletzt am 21. August 2002 beim Test in Bulgarien (2:2) - das folgende EM-Qualispiel gewann die Truppe von Teamchef Völler zweieinhalb Wochen später in Litauen mit 2:0.