Bundesliga

Abschiedstour statt Aufbruchsstimmung?

Hannover: Warum Schaafs Pläne bislang nicht fruchteten

Abschiedstour statt Aufbruchsstimmung?

Will hartnäckig bleiben: 96-Trainer Thomas Schaaf.

Will hartnäckig bleiben: 96-Trainer Thomas Schaaf. Getty Images

Gerade einmal drei Jahre nach der Teilnahme an der Europa League mit stimmungsvollen Spielen in der heimischen Arena, die endlich auch die Augen der Fußballfans über die Region hinaus auf Hannover lenkten, mutierte der Traditionsklub zum aktuellen Abstiegsanwärter Nummer 1. Eine zunehmend dramatische Fehlentwicklung in der Personalpolitik ist dafür verantwortlich. Nach dem Wechsel von Frontzeck zu Schaaf ist die fußballerische Leistung der Mannschaft noch nicht durchgreifend besser, die Ausbeute sogar noch schlechter geworden.

Null Punkte aus den bisherigen fünf Spielen sind eine beschämende Bilanz, die noch durch den Umstand verschlimmert wird, dass gleich drei Heimspiele gegen im Abstiegskampf zu Hause zwingend zu schlagende Gegner wie Darmstadt (1:2), Mainz und zuletzt Augsburg (beide 0:1) verloren wurden. Zumal mit Punkten in den bisherigen Auswärtsspielen in Leverkusen (0:3) und Dortmund (0:1) realistisch nicht zu rechnen war. Wenigstens sechs Punkte fehlen so aber in der internen Hochrechnung - sie könnten am Ende entscheidend sein.

Hannovers Suche nach der ersten Elf

Thomas Schaaf ist es bislang nicht gelungen, seine Pläne umzusetzen. Unter dem neuen Trainer ...

... kristallisierte sich noch kein Spielsystem heraus, das der Mannschaft die nötige Festigkeit verleiht. Das 4-4-2 mit Mittelfeld-Raute, mit dem der 54-Jährige zu großen Bremer Zeiten Erfolge feierte, griff in Hannover nicht, weil Spieler auf ungewohnten Positionen nicht das Optimum abrufen konnten: Manuel Schmiedebach als Verlegenheits-Zehner, Salif Sané und Hotaru Yamaguchi, eigentlich zentral-defensive Mittelfeldspieler, auf der rechten Seite. Mit dem Wechsel zum 4-1-4-1 in den jüngsten zwei Partien finden sich alle Spieler zwar eher in vertrauten Rollen wieder, der Erfolg stellt sich dennoch nicht ein.

... entwickelte sich kein schlagkräftiges Team, das die Last und Schwere der vielen Misserfolge in der Vergangenheit (nur sechs Siege in 14 Monaten) abschüttelt. Dazu fehlt die eigentlich erhoffte Zufuhr von Frischblut von außen. Die Bilanz der Wintereinkäufe ist ernüchternd: Norwegen-Talent Iver Fossum (19) ist bestenfalls ein Mann für die Zukunft, aktuell fehlt es ihm an jeglicher Wettkampfhärte. Marius Wolf (20) kam vom TSV 1860 und verletzte sich gleich am ersten Trainingstag, er kommt allmählich zurück. Hotaru Yamaguchi (25) zahlt trotz aller internationaler Erfahrung bitteres Lehrgeld in der Bundesliga, im zweiten Einsatz gegen Mainz musste er völlig indisponiert schon nach gut 30 Minuten weichen. Mäßig die bisherige Wirkung der als Soforthilfen fest eingeplanten namhaften Stürmer Adam Szalai (derzeit verletzt) und Hugo Almeida. Letzterer kam mit mangelnder Fitness aus der russischen Liga, fehlte dann ebenfalls verletzt und stellte sich gerade erst mit seiner Tätlichkeit gegen Augsburgs Kohr (drei Spiele Sperre via TV-Beweis) selbst ins Abseits. Bezeichnend, dass ausgerechnet die Last-Minute-Leihgabe Alex Milosevic in der Innenverteidigung noch den solidesten Part unter den Neuen spielt.

Alexander Milosevic

Rarer Lichtblick bei den 96ern: Der Schwede Alexander Milosevic. picture alliance

... wurde in allen Mannschaftsteilen viel probiert. Doch was unter der Woche im Training ansehnlich wirkt und Schaaf zuversichtlich stimmt, verpufft bislang fast regelmäßig am Wochenende in den Spielen. Im Angriff nutzt Artur Sobiech, nach den Einkäufen von Szalai und Almeida zunächst außen vor, die Gunst der neuen Chance nicht. Im Mittelfeld spielten sich Yamaguchi und Schmiedebach aus dem Team, Kenan Karaman und Edgar Prib mühen sich nach Kräften, sind aber limitiert. Uffe Bech fällt nun verletzt aus, Regisseur und Hoffnungsträger Hiroshi Kiyotake kommt nach drei Monaten Verletzungspause allmählich erst wieder in Tritt. Wechselspiele auch auf den Verteidigerpositionen: Mit Prib, Oliver Sorg und Miiko Albornoz gab es in fünf Spielen drei verschiedene Linksverteidiger. Auch agierten bereits vier verschiedene Innenverteidiger-Paare.

... ist eine klare Spielidee wohl vorhanden, aber auf dem Feld selten erkennbar. Es mangelt an elementaren Dingen wie einer Staffelung und Abstimmung in der Defensive, einem konstruktiven Balltransport nach vorne und einem entschlossenen Zug zum Tor.

Schaaf: Hartnäckigkeit bis es "klick" macht

Trotz aller Nackenschläge und einer desaströsen Zwischenbilanz steckt Thomas Schaaf nicht auf, sondern lebt in Hannover Standhaftigkeit und Optimismus vor. "Die Mannschaft kann besser spielen", sagt der Coach, "es gab Ansätze auswärts." Jetzt geht es wieder auf Reisen, zu einem Gegner Stuttgart, dessen Entwicklung Schaaf Mut macht. Beim VfB habe sich schließlich gezeigt, dass sich Dinge, die sich festgesetzt hätten, auch wieder lösen könnten. "Mit Hartnäckigkeit" will der 96-Trainer dranbleiben, bis es auch in Hannover endlich "klick gemacht hat". Es muss bald passieren, am besten schon diesen Samstag.

Michael Richter