Eishockey

Eishockey-WM 2017, Viertelfinale, Kanada gegen Deutschland, Vorschau - Leon Draisaitl: "Jedes Team ist schlagbar"

Deutschland hofft auf eine Eishockey-Sensation gegen Kanada

Draisaitl vor Kanada: "Jedes Team ist schlagbar"

Kölsche Jungs: Deutschlands Superstar Leon Draisaitl jubelt mit Frederik Tiffels (r.).

Kölsche Jungs: Deutschlands Superstar Leon Draisaitl jubelt mit Frederik Tiffels (r.). imago

Gegen das Mutterland des Eishockeys ist Deutschland der krasse Außenseiter. Kanada will das WM-Triple nach Gold 2015 in Tschechien und 2016 in Russland. Im Kader stehen - abgesehen von Verteidiger Chris Lee, der bei Metallurg Magnitogorsk in der KHL spielt - nur NHL-Profis. Zwar fehlen die ultimativen Superstars, doch auch Spieler wie die Stürmer Claude Giroux (Philadelphia Flyers), Ryan O'Reilly (Buffalo Sabres), Matt Duchene (Colorado Avalanche) oder Verteidiger Marc-Eduard Vlasic (San Jose Sharks) stehen für Extraklasse in diesem Sport. Die verhältnismäßig junge kanadische Auswahl (im Schnitt 25,4 Jahre jung, zum Vergleich: Deutschland 28,0) verfügt dennoch über 7481 Spiele an NHL-Erfahrung (Deutschland: 2295).

Kanadas Stärke als große Schwäche

Allerdings neigen die jungen Ahornblätter ein wenig zur Überheblichkeit: In der Gruppenphase kamen die Kanadier gegen Co-Gastgeber Frankreich zu spät zum Warmup, schrammten dann fast an einer Blamage vorbei (3:2). Vor dieser Partie verletzte sich außerdem Top-Verteidiger Tyson Barrie bei einer neckischen Rauferei mit einem Mitspieler auf dem Hotelzimmer derart schwer am Schienbein, dass er für das komplette Turnier ausfällt. Gegen die Schweiz verzockte Kanada eine 2:0-Führung und verlor am Ende im der Verlängerung mit 2:3. Trotzdem schloss der Titelverteidiger die Gruppe B als einsamer Spitzenreiter ab (19 von 21 möglichen Punkten, 32:10 Tore). Macht Kanada in der K.o.-Phase nun richtig ernst?

Faktor Grubauer

Philipp Grubauer

"Gold wert": Deutschlands Torwart Philipp Grubauer. picture alliance

"Wir brauchen nicht nervös zu werden, weil Kanada auf dem Trikot steht und ein paar NHL-Spieler dabei sind", sagt DEB-Torwart Philipp Grubauer trotzig. Auf den 25-Jährigen, der als Backup-Goalie der Washington Capitals selbst Pucks in der NHL fängt, wird es unter anderem ankommen. Beim hochspannenden Gruppen-Endspiel gegen Lettland (4:3 n.P.) wies der gebürtige Rosenheimer seine Qualitäten nach (90 Prozent Fangquote), zeigte teils spektakuläre Paraden. Gegen Kanada soll Grubauer starten - der wieder genesene Thomas Greiss (Schulter) wird als Ersatzmann auf der Bank Platz nehmen. "Wir brauchen wieder einen Grubauer, der alles hält und für eine Sensation sorgt", hofft Bundestrainer Marco Sturm. "Gruby ist ein gestandener NHL-Torwart, der in vielen Teams die Nummer eins sein könnte. Er ist Gold wert", vertraut auch Center Leon Draisaitl voll auf seinen Keeper.

Faktor Draisaitl

Draisaitl ist zweifelsohne der beste Spieler der Deutschen. Der 21-Jährige schaffte bei den Edmonton Oilers den Sprung vom hoffnungsvollen Talent in den Elitekreis der NHL. Dass er alleine Spiele entscheiden kann, wies der gebürtige Kölner jüngst mit einem Play-off-Hattrick nach. Auch bei der WM strahlt der geniale Spielmacher bislang mit Präsenz und cleveren Pässen. Beim Eishockey-Krimi gegen Lettland spielte der Mittelstürmer in der stets gefährlichen deutschen Top-Reimer neben den Nürnbergern Patrick Reimer und Yasin Ehliz. Seine heutigen Gegenspieler kennt Draisaitl aus zahlreichen Duellen in Nordamerika. Deshalb sei es "kein Geheimnis, dass wir nicht der Favorit sind", so der deutsche Hoffnungsträger, doch: "Jedes Team ist schlagbar, in so einem Turnier kann viel passieren."

Erinnerungen an 1992

Eishockey-WM 2017 in Köln

Nachfragen kann Leon da bei Papa Peter Draisaitl. Am 18. Februar 1992 schrieb dieser bei den Olympischen Spielen Eishockey-Geschichte. Deutschland drängte Kanada an den Rand einer Niederlage und ging mit dem Spielstand von 3:3 ins Penaltyschießen. Hier tunnelte Draisaitl senior den Torwart, der Puck rollte auf der Kante Richtung Tor, kippte dann aber genau auf der Torlinie um - kein Treffer - zur Sensation fehlten nur Millimeter. "Ich habe es mir ein paarmal angeguckt", erzählt Draisaitl junior. Der Halbfinal-Einzug blieb dem Vater vor 25 Jahren damit verwehrt - nun könnte der Sohn den Kreis schließen und das unvollendete Eishockey-Märchen weiterschreiben.

Grubauer: "...dann wird es cool"

Die Statistik spricht aber klar für Kanada: Der turmhohe Favorit gewann 23 von insgesamt 25 WM-Duellen mit Deutschland. Den letzten Sieg einer deutschen Auswahl gab es 1996 in Wien (5:1). Zwei der drei jüngsten WM-Begegnungen verlor Deutschland sogar zweistellig (2008: 1:10, 2010: 0:10, 2016 2:5). "Wir wollen neue Geschichte schreiben. Unsere Reise ist noch nicht vorbei", so Sturm. "Immer wieder waren wir in der Vergangenheit zu zufrieden mit dem Viertelfinale. Wir dürfen jetzt nicht aufhören. Man muss hungrig sein auf mehr." Genau das scheinen seine Spieler verinnerlicht zu haben. "Es wird wieder ein Riesenspaß werden. Wir hoffen, dass sie uns unterschätzen", sagte DEB-Kapitän Christian Ehrhoff. "Wir dürfen keine Fehler machen, müssen unser System spielen und schauen, dass wir sie vom Tor weghalten", gab Grubauer einen kleinen Einblick in den deutschen Matchplan. "Dann wird es cool."

Christian Rupp

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