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"Meine Arbeit verraten!" Mourinho geht auf Spieler los

Chelsea-Trainer versucht Krise zu verstehen

"Meine Arbeit verraten!" Mourinho geht auf Spieler los

Sieht "nicht akzeptable" Fehler bei seiner Mannschaft - bei sich nicht: Chelsea-Trainer José Mourinho.

Sieht "nicht akzeptable" Fehler bei seiner Mannschaft - bei sich nicht: Chelsea-Trainer José Mourinho. imago

16 Spiele, 15 Punkte, 18 Tore: Es sind Zahlen eines Abstiegskandidaten, die der FC Chelsea im Dezember 2015 vorlegt. Nach dem 1:2 vom Montagabend liegt Gegner Leicester City, der Fast-Absteiger der Vorsaison, 20 Zähler vor dem amtierenden Meister. Wie konnte es so weit kommen? Und wie lange schaut Roman Abramovich dem unwürdigen Treiben noch zu?

Selbst José Mourinho scheint keine Lust mehr zu haben, seine Spieler zu verteidigen, die Schuld bei Schiedsrichtern, Arsene Wenger oder der Unicef zu suchen. Zwar kritisierte er das Verhalten der Balljungen in Leicester, nachdem Loic Remy für Chelsea auf 1:2 verkürzt hatte ("Eine Schande für die Premier League"). Aber: "Ich möchte die Balljungen-Geschichte nicht über ein Resultat stellen, das sich Leicester verdient hat." Er hatte diesmal wichtigere Mitteilungen zu machen.

Premier League - 16. Spieltag
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2
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Trainersteckbrief Mourinho
Mourinho

Mourinho José

Nämlich: "Ich habe das Gefühl, dass meine Arbeit verraten wurde", schimpfte er auf seine Mannschaft. "Wir haben zwei Tore kassiert, die für mich nicht akzeptabel sind. Ich weiß, dass es eine meiner größten Stärken ist, ein Spiel für meine Spieler zu lesen, den Gegner zu lesen." Doch sowohl beim 0:1 durch Toptorjäger Jamie Vardy als auch beim 0:2 durch Riyad Mahrez - beide haben nun zusammen 26 Tore erzielt (Liverpool gesamt: 20, ManUnited: 21) - schienen sich seine Spieler nicht mehr an seine Anweisungen erinnern zu können. "Ich habe vier Tage auf dieses Spiel hingearbeitet. Ich habe dabei vier Bewegungen identifiziert, mit denen sie fast jedes Tor geschossen haben. Meine Spieler haben all diese Informationen im Training bekommen. Sie können sie fragen."

Manchmal denke ich, dass ich letzte Saison eben einen tollen Job gemacht habe, dass ich die Spieler auf ein Niveau gebracht habe, das nicht ihres ist.

José Mourinho

Es ist eine spektakuläre Kehrtwende. So deutlich war Mourinho noch nie auf seine Spieler losgegangen, seit er Chelsea-Trainer ist. Einen nahm er allerdings demonstrativ von seiner Kritik aus: sich selbst. Das wurde deutlich, als er über die Gründe für den Absturz seiner Meisterelf philosophierte.

"Manchmal", referierte er, "denke ich, dass ich letzte Saison eben einen tollen Job gemacht habe, dass ich die Spieler auf ein Niveau gebracht habe, das nicht ihres ist." Und dieses könnten sie jetzt eben nicht mehr halten. "Eine andere Möglichkeit ist, dass wir in diese Saison individuell und als Mannschaft so schlecht gestartet sind, dass wir in einer Position angekommen sind, in der die Spieler keine Angst vor der Abstiegszone haben, weil sie sich dort nicht sehen, aber auch nicht mehr die Motivation haben, Meister zu werden oder in den Top Four zu landen." Mentale Probleme also.

"Die Jungs von Leicester, das sind die Stars"

Er wolle auch gar keine neuen Spieler im Winter. "Wir müssen mit diesen weitermachen. Sie müssen sich in ihrem Stolz, ihrem Selbstverständnis angegriffen fühlen. Und sie müssen alles dafür tun, Resultate zu erzielen - in bescheidener Weise. Momentan können sie sich nicht wie Topspieler fühlen oder wie Superstars. Sie müssen sich die Jungs von Leicester anschauen und merken, dass das die Stars sind, die Topspieler. Sie müssen auf Sunderland nächstes Wochenende und Watford in zwei Wochen schauen und sagen: 'Hey, wir sind auf dem gleichen Level wie ihr, ich bin nicht der Superstar, nicht der Spieler des Jahres, nicht der Weltmeister, nicht der Premier-League-Champion.'"

Dass Mourinho bei der Zusammenstellung der Mannschaft auch das eine oder andere Wort mitsprechen durfte, dass er den miserablen Saisonstart mit dem ungewöhnlich späten Einstieg in die Vorbereitung womöglich entscheidend beeinflusst hat, dass Motivationsprobleme gerade in Mourinho-Teams ein grelles Warnsignal sein sollten - das war kein Thema seiner Ausführungen. "Ich fühle mich total angegriffen in meinem Stolz", sagte er nur. Und: "Ich habe keine Zweifel. Ich will weitermachen."

jpe