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Marcel Brandt: Kreisliga-Abstiegskampf statt Eishockey-WM

DEL-Profi mit großem Ehrgeiz beim SV Motzing

Marcel Brandt: Abstiegskampf in der Kreisliga statt Eishockey-WM

Ein robuster Mittelstürmer: Marcel Brandt (hellblau) bringt viele Anlagen mit, um zukünftig häufiger für seinen SV Motzing zu treffen.

Ein robuster Mittelstürmer: Marcel Brandt (hellblau) bringt viele Anlagen mit, um zukünftig häufiger für seinen SV Motzing zu treffen. Maximilian Stahl

Kreisliga Straubing Gruppe 1

Am Samstag hat es endlich geklappt: Nach einem Pass in die Schnittstelle von Boris Vareskovic jagt Marcel Brandt den Ball in den Winkel. Der SV Motzing holt im Kellerduell der Kreisliga Straubing Gruppe 1 beim ASV Degernbach dank dieses Treffers immerhin einen Punkt (1:1).

Marcel Brandt ist vielleicht kein Bender-Zwilling oder Marcell Jansen, aber den zahlreichen Eishockey-Fans in Deutschland muss man nicht groß erklären, wer da seit 2014 jeden Frühling nach dem Ende der Eishockey-Saison auf dem Rasen steht: Der 30-Jährige spielt seit Jahren auf höchstem Niveau in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL), stand für die Düsseldorfer EG und in den allermeisten seiner bisher 452 DEL-Spiele für seinen jetzigen Klub Straubing Tigers auf dem Eis. Hinzu kommen 26 Länderspiele für Deutschland, bei den Olympischen Spielen 2022 in Peking stand Brandt im Aufgebot von Bundestrainer Toni Söderholm.

Zurück nach Degernbach. Sein erstes Saisontor im siebten Spiel konnte Brandt nicht wirklich zufriedenstellen: "Meine Torquote ist eine Katastrophe, ein Treffer pro Spiel wäre schon drin." Und dass sein Heimatverein - der Eishockey-Profi wohnt nicht weit weg vom Sportgelände - so weit unten steht, das scheint ihn ebenfalls anzufassen. "Das Potenzial ist da, viele Spieler könnten auch höherklassiger spielen."

Marcel Brandt Straubing Tigers

Grund zur Freude: Marcel Brandt qualifizierte sich mit den Straubing Tigers für den internationalen Wettwerb. imago images/Stefan Ritzinger

Aus diesen Sätzen spricht Ehrgeiz. Nach einer erfolgreichen Saison mit Straubing, die mit der Qualifikation für die Champions Hockey League gekrönt wurde, könnte es einer wie Brandt beim Freizeitvergnügen im Amateurfußball ja gelassen angehen. Falsch gedacht! "Ich habe als Leistungssportler einen Charakter zum Sport. Das heißt, ich gebe immer 100 Prozent." Daher hilft Brandt auch abseits des Feldes mit, dass der SVM sich Schritt für Schritt entwickelt, sei es, dass er bei der Suche nach Neuzugängen hilft oder bei der Trainingsgestaltung seine geballte Kompetenz als Profisportler in die Waagschale wirft. Zudem "ist er ein Motivator, pusht in der Whatsapp-Gruppe die Jungs, auch wenn er selbst mal nicht spielen kann," verrät Otto Zellmer, Trainer und Sportlicher Leiter beim SV Motzing. Wenn es Brandts vollgepackter Terminplan während einer Eishockey-Saison erlaubt, schaut er sich auch regelmäßig die Spiele seiner Kreisliga-Jungs an.

Mit Motzing steuert der gebürtige Dingolfinger aktuell auf eine Situation zu, die er aus dem Eishockey nur zu gut kennt: "Do or die". Am Samstag zählt zu Hause gegen den SV Auerbach nur ein Sieg, um der ungeliebten Abstiegsrelegation noch von der Schippe zu springen. Und auch wenn Brandt mit seiner Ausbeute als Mittelstürmer hadert, sein Trainer ist heilfroh, in die entscheidende Saisonphase mit einem solchen Eckpfeiler zu gehen: "Marcel macht uns im Abstiegskampf definitiv besser. Er ist für uns jedes Jahr wie ein Neuzugang, wenn er zu uns stößt."

Da musst du in der Kreisliga lange suchen, bis du einen solchen Spieler wie Marcel findest, der kein Gramm Fett auf den Rippen hat.

Otto Zellmer, Trainer des SV Motzing

Zellmer sieht bei seinem besonderen Mittelstürmer gleich ein ganzes Bündel von Stärken: "Fußballerisch ist er sehr gut, hat einen unfassbaren Körper, kann Bälle festmachen, ist schnell und hat durch seine Kraft einen unglaublich guten Schuss." Weiter sagt Zellmer: "Da musst du in der Kreisliga lange suchen, bis du einen solchen Spieler wie Marcel findest, der kein Gramm Fett auf den Rippen hat." Das mit dem Fett sei in der Offseason - also in der Zeit, in der der Eishockey-Betrieb ruht - zwar nicht ganz richtig, entgegnet Brandt augenzwinkernd, aber sein Trainer liegt mit seiner Einschätzung nicht so verkehrt. Alkohol meidet Brandt weitestgehend, der Beliebtheit in der Mannschaft tut das keinen Abbruch: "Marcel wird von den Jungs unglaublich bewundert", so Zellmer.

Und die Gegner? "Niemand will Marcel was Böses", so der Motzing-Trainer. Aber dennoch weiß man gerade rund um Straubing, wer da die Schlitt- gegen die Stollenschuhe getauscht hat: "Manche Gegenspieler feiern das schon, wenn sie mich härter angehen oder mal umhauen können", so Brandt, "aber ich mag das, ich bin das aus dem Eishockey gewohnt."

Ein sensibles Thema, wird Fußballern schließlich nachgesagt, nach Körperkontakt öfter mal sehr theatralisch die Gunst des Schiedsrichters für sich zu gewinnen. "Gar keine Frage", ist es für Brandt, ob ein Gegner in der DEL oder in der Kreisliga einstecken kann. "Eishockey und Handball sind die mit Abstand härtesten Mannschaftssportarten." Und die Fußballer? "Wie die nach leichten Berührungen weinen und schreien, das ist manchmal schon extrem und nervt", so Brandts Wahrnehmung.

Manche Gegenspieler feiern das schon, wenn sie mich härter angehen oder mal umhauen können.

Marcel Brandt

Trotzdem stehen Fußball und Eishockey bei ihm auf einer Stufe. An mangelndem Talent als Fußballer lag es nicht, dass sich Brandt eines Tages für eine Karriere im Eishockey entschieden hat: "Ich hätte mit 15 auch zu 1860 München gehen können, aber damals hat mir Eishockey einfach mehr Spaß gemacht."

Und Brandt will sich diesen Spaß, den er noch immer beim Eishockey verspürt, möglichst lange erhalten. So hat er im Januar seinen Vertrag in Straubing bis 2026 verlängert, wo er im Jugendbereich auch sein Know-how als Trainer weitergibt. Parallel baut Brandt seine Stiftung aus, die unter dem Motto "Schmiedet Helden von Morgen" junge Talente verschiedener Sportarten rund um Straubing fördern will.

Marcel Brandt bei Olympia 2022

Große Aufgabe: Marcel Brandt (weißes Trikot) spielte für Deutschland bei Olympia 2022. imago images/Laci Perenyi

Sein DEL-Klub weiß natürlich auch, dass sich Brandt in der Kreisliga theoretisch so schwer verletzten könnte, dass er für Spiele der Tigers ausfallen würde. Aber zum einen sagt Brandt "kann ich mich theoretisch auch beim Radfahren verletzten oder wenn ich über die Straße gehe" und zum anderen ist die tiefe Verwurzelung in der Region ein Garant dafür, dass Brandt nicht vielleicht doch noch von der etwas zahlungskräftigeren Konkurrenz aus der DEL gelockt wird. Somit sagt der Vierte der abgelaufenen DEL-Hauptrunde, der im Viertelfinale der Play-offs den Adler Mannheim unterlag: "Wir finden es super, dass Marcel im Sommer in der Kreisliga spielt und sich so auch fit hält. Er engagiert sich sehr in seiner Dorfgemeinde und ist daher auch ein großes Vorbild für viele Jugendliche. Das ist klasse."

Und Brandt setzt Prioritäten, die den Tigers gefallen dürften: Rund einen Monat vor Beginn des Trainingsstarts in Straubing, landen die Fußballschuhe alljährlich wieder im Schrank, noch dazu da sich Brandt in der kommenden Spielzeit mit den Niederbayern auf internationalem Eis beweisen darf. Hier will sich der Verteidiger, der auf dem Eis auch offensiv eingesetzt werden kann, erst recht in Topform präsentieren.

Dass Brandts Liebe für den SVM ("Ich werde nirgends mehr woanders Fußball spielen als beim SV Motzing, da sind meine Freunde") aber so weit geht, dass er dafür die gerade laufende Eishockey-Weltmeisterschaft abgesagt hat, um mit dem SVM die Klasse zu halten, wäre natürlich total vermessen. Vielmehr leidet der 30-Jährige an Kieferproblemen, die in den nächsten zwei Monaten regelmäßige Arztbesuche nötig machen. Harte Checks wären da kontraproduktiv, Kreisliga-Fußball sei aber unbedenklich. Erst recht, wenn seine Gegner nach Steilpass von Boris Vareskovic sowieso viel zu weit weg für einen Zweikampf stünden.

Stefan Wölfel

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