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LCS-Profis kündigen Streik an: "Das System ist kaputt"

Hat Riot wissentlich gelogen?

LCS-Profis kündigen Streik an: "Das System ist kaputt"

Steht vor einer historisch einmaligen Protestaktion: Die nordamerikanische LoL-Liga LCS.

Steht vor einer historisch einmaligen Protestaktion: Die nordamerikanische LoL-Liga LCS. Riot Games/LCS

"Die Abstimmung wurde mit überwältigender Mehrheit verabschiedet", lautet ein simpler Satz, der den nordamerikanischen LoL-eSport vor seine bisher womöglich schwerste Zerreisprobe stellt. Gemeint ist eine Abstimmung der LCS Players Association (LCSPA), der Spielergewerkschaft von Riots nordamerikanischer Franchise-Liga. Diese hatte ihre Mitglieder über einen Streik entscheiden lassen, welcher nun droht, den Spielbetrieb lahmzulegen. Ein historisch einmaliger Vorgang.

NACL-Verpflichtung im Fokus

Im Kern des Protests stehen Academy-Teams, welche in der zweitklassigen North American Challengers League (NACL) gemeinsam mit ambitionierten Amateurteams den Unterbau der erstklassigen LCS bilden. Um die Talentförderung aufrecht zu erhalten, waren LCS-Teams bisher verpflichtet, einen Teil ihrer Mittel in ein NACL-Team zu investieren. Vor gut zwei Wochen, nur knapp einen Monat vor Beginn des Summer Split der NACL, kippte diese Verpflichtung jedoch. Riot stellte die LCS-Teams vor die Wahl, die sich gegen die verpflichtende NACL-Teilnahme entschieden.

In der Folge blieben lediglich drei Academy-Teams von LCS-Organisationen erhalten. Insgesamt ist die Finanzkraft der dadurch weniger attraktiven Liga gesunken. Mögliche Sponsoren haben das Interesse verloren, wie NACL-Spieler berichten. Entsprechend schwer sei es, den Spielbetrieb finanzieren zu können, mit Team Tony Top sagte ein Amateurteam die Teilnahme am Summer Split deshalb sogar ab. 

Finanzielle und sportliche Kritik

Doch auch sportlich wird die Abschaffung der verpflichtenden Talentförderung in den sozialen Medien scharf kritisiert. Die Brücke zwischen Amateurbereich und LCS würde massiv beeinträchtigt, den Sprung von einem Amateurteam in die höchste Spielklasse gelinge nur in den aller seltensten Fällen - wenn überhaupt. Die klassische Route eines Spielers, sich über starke NACL-Leistungen einen gut geförderten Academy-Spot zu sichern, der bezahlten Vollzeit-eSport erlaubt und Durchlässigkeit in das zugehörige Profiteam verspricht, sei nun deutlich erschwert.

Wozu also das Ganze? Laut Spielergewerkschaft handle es sich um eine Maßnahme, die strauchelnden LCS-Teams unter die Arme greifen soll. "Diese Entscheidung ist ein bloßer Versuch, die Forderungen von Teambesitzern nach erhöhter finanzieller Unterstützung zu beschwichtigen", hieß es in einem ersten Statement der Gewerkschaft kurz nach der Verkündung von Riots Zukunftsplänen.  

Hat Riot wissentlich gelogen? 

Doch nicht nur inhaltlich gibt es empfindliche Kritik. Besonders echauffiert die LCSPA die mangelnde, wenn nicht sogar bewusst falsche Kommunikation des LoL-Entwicklers: "Riots Entscheidung, die NACL-Verpflichtung abzuschaffen, war ein direkter Widerspruch zu Aussagen, die Riot während mehrerer Gespräche früher in diesem Jahr gegenüber der Player Association getätigt hat." So hätte Riot der LCSPA noch "eine Woche" vor dem Schritt "versichert, es würde 2023 keine Änderungen geben". 

NACL Teilnehmer 2023

Von zehn NACL-Teilnehmern sind nur noch drei Mannschaften Academy-Ableger eines LEC-Teams. Riot Games

Während es von Riot zu diesen Vorwürfen noch keine Stellungnahme gibt, hat die Spielergewerkschaft inzwischen weitere Schritte eingeleitet und über den angesprochenen Streik abstimmen lassen. Ein drastischer Schritt, der den LCS-Spielern nicht leicht gefallen sei und deshalb umso deutlicher für sich spricht: "Sich die Hände zu reichen, um den Wettbewerb niederzulegen, ist ein Zeichen der Bedeutung und Dringlichkeit des Problems." 

Das sagt ein Betroffener

Doch wieso wird die NACL-Pflicht überhaupt so intensiv diskutiert? Das weiß Joseph 'Levitate' Hong, der als AD-Carry mit Team Tony Top an der zweithöchsten LoL-Liga Nordamerikas teilnehmen wollte, aber mit seiner Mannschaft zurückzog. In einem Interview mit LoL-Reporter Travis Gafford sprach Hong über die Gründe der schweren Entscheidung seines Teams. 

"Wir waren uns eigentlich sicher, einen Sponsor finden zu können, der uns dabei helfen würde, in der NACL zu spielen", so Hong, "aber das stellte sich als schwierig heraus." Seine Mannschaft habe "quasi jede Organisation kontaktiert, die uns in den Sinn kam", investieren wollte aber keine. Wieso? "Es gibt in der NACL nicht viel ROI (Return on Investment, Anm. d. Red.)." Investitionen zahlen sich also für Sponsoren selten bis gar nicht aus, oder, um es mit Hongs Worten zu sagen: "Es gibt keinen Anreiz für Organisationen, in die NACL zu investieren, da es keinen Vorteil für sie bringt." 

Es ist schwer, sich als Spieler diesem Umfeld geringer Kompensation zu verpflichten.

Joseph 'Levitate' Hong

Dabei seien die Forderungen der Mannschaft alles andere als hoch gewesen. "In NACL-Teams, die keine Academy-Teams sind, verdienen Spieler im Schnitt 1000 Dollar im Monat", verrät 'Levitate', der im Zuge dessen auf ein großes systemisches Problem hinweist: "In der NACL zu spielen, kostet viel Zeit. Ein dreimonatiger Split mit zwei Matches pro Woche - da ist es schwer, sich als Spieler diesem Umfeld geringer Kompensation zu verpflichten." Kurzum: Der Anspruch, LoL auf höchstem Niveau zu spielen, entsprechend dafür zu trainieren und regelmäßig an Wettkämpfen teilzunehmen, passt nicht zu den finanziellen Gegenleistungen. 

Eine der Maßnahmen, mit der Riot gegen die geringen Gegenleistungen vorgehen möchte, ist eine Beteiligung der Teams an den Einnahmen der Liga. Zudem gibt es einen Preispool von 100.000 US-Dollar. Teams, die es sich gar nicht erst leisten können, anzutreten, profitieren davon aber natürlich nicht. Hong wünscht sich daher Besserung in der Saison 2024, kommt hinsichtlich der aktuellen Situation jedoch zu einem tristen Urteil: "Das System ist kaputt." So kaputt, dass der erste Streik der Geschichte der LCS sich wohl nur noch schwer abwenden lässt. 

mja

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