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Klein ist groß: Liverpools Tief mit Ansage

Klopps Probleme vor dem Topspiel gegen Arsenal

Klein ist groß: Liverpools Tief mit Ansage

"Es fühlt sich nicht mehr freifließend an": Jürgen Klopp erlebt mit Liverpool ein grausames Jahr 2017.

"Es fühlt sich nicht mehr freifließend an": Jürgen Klopp erlebt mit Liverpool ein grausames Jahr 2017. picture alliance

In den Pokalwettbewerben ausgeschieden, in der Liga abgerutscht - das Jahr 2017 hält bis jetzt Grausamkeiten aller Art für den FC Liverpool bereit. Sogar Jürgen Klopp ist das Lachen vergangen. "Ich bin ja kein Clown, auch wenn die Leute das denken", sagte er am Freitag. "Ich lache nicht ständig wie verrückt, ich bin ein normaler Mensch. Und wir werden alle von unseren Erfahrungen beeinflusst."

Und die jüngsten Erfahrungen meinen es nun wirklich nicht gut mit Klopps Mundwinkeln. Nach nur einem Sieg aus den letzten sieben Liga-Spielen ist die Champions-League-Qualifikation derart in Gefahr geraten, dass Klopp die Europa League in der BBC vorsorglich als "okay" und "Schritt in die richtige Richtung" bezeichnet, auch wenn er sagt: "Ich bin mir nicht sicher, ob ich das als Erfolg verkaufen könnte."

Eine Handvoll Fans formiert sich im Internet: Klopp soll weg

Könnte er wohl nicht. Es wäre schließlich eine Enttäuschung nach dieser Saison, die mit so viel Euphorie - Vertrag bis 2022, ausgebautes Stadion, Tabellenführer im November - begonnen hatte. Aus vereinzelten Rückschlägen wurden regelmäßige, inzwischen hat man das Gefühl, als gäbe es kaum noch etwas anderes. Liverpool droht gerade seine ganze Saison zu verspielen. "Es fühlt sich nicht mehr freifließend an", sagt Klopp. "Bei uns mangelt es an Konstanz, das können wir nicht ignorieren." Eine Handvoll Fans versammelte sich im Internet sogar schon unter dem Hashtag "KloppOut".

Wie kommt es, dass Liverpool immer noch Tabellenführer wäre, wenn die Topklubs, die aktuell ersten Sechs, in einer eigenen Liga spielten - und gleichzeitig 15. der Rückrundentabelle ist? Warum beendet Liverpool sein Januar-Tief mit dem mitreißenden 2:0 gegen Tottenham vermeintlich - schenkt Leicester aber dann die ersten Tore und den ersten Sieg des Jahres ? Ja, warum liefert Liverpool nach über zwei Wochen konzentrierter Vorbereitungszeit "das schlechteste Spiel der Saison" (Klopp) ab? So schlecht, dass sogar Roberto Firmino "gleich der erste Ball fünf Meter vom Fuß springt und du denkst, was ist das denn" (Klopp)?

Gegen manche Gegner bekommt Klopps Fußball regelmäßig ein Problem

Unterstellt man mal wohlwollend, dass Liverpools Profis gegen die scheinbar "Kleinen" der Liga (vor Leicester gab es schon Niederlagen gegen Burnley, Bournemouth, Swansea und Hull) nicht plötzlich ein eklatantes Motivationsproblem bekommen und dass sie normalerweise schon zuhören, wenn ihr Trainer ihnen etwas an die Hand gibt , dann bleibt vor allem noch eine Erklärung: Klopps Fußball bekommt Probleme, wenn eine Mannschaft tief und kompakt steht, wenn sie seiner Elf den Ball überlässt und geradlinig kontert.

Würde jeder Gegner so hoch stehen wie unlängst Tottenham, Liverpool würde die Liga wohl souverän dominieren. Dann nämlich können Sadio Mané und Roberto Firmino ihr Tempo ausspielen, dann bekommen sie den Platz, den sie brauchen, dann ergeben sich die Klopp'schen Umschaltmomente ganz automatisch.

In Dortmund konnte sich Klopp immer auf einen echten Torjäger verlassen

Das erklärt zumindest teilweise, warum sich Liverpool mit den Großen leicht und mit den Kleinen schwertut, gegen klein selten groß auftritt. Es ist ein Muster mit Ansage, vorige Saison war es ja schon ganz ähnlich . Geeignete Gegenmittel fehlen offensichtlich bis heute.

Ständige Ausfälle belasten die Statik im Spiel der Reds zusätzlich. Kapitän und Mittelfeldstratege Jordan Henderson fehlt auch am Samstag (18.30 Uhr, LIVE! bei kicker.de) gegen Arsenal, Innenverteidiger Dejan Lovren voraussichtlich auch, Stürmer Daniel Sturridge sowieso. In seinen Dortmunder Glanzzeiten konnte sich Klopp immer auf einen echten Torjäger verlassen, in Liverpool verkauft er auch mangels Alternativen sein System mit falscher Neun als Wunschlösung, die sie kaum sein kann.

Das Duell mit Arsenal ist richtungsweisend - und womöglich dankbar

Und hinten? "Wir müssen ständig wechseln, vor allem in der Innenverteidigung", klagt Klopp. "Das klingt wie eine Ausrede, ist aber nur eine Erklärung dafür, was passiert ist." Kaum ein Beobachter versteht, warum Klopp in Lucas gerade ständig auf einen temposchwachen Mittelfeldspieler in der Innenverteidigung setzt, während Sommerneuzugang Ragnar Klavan (Ex-Augsburg) auf der Bank sitzt. Klopps Erläuterung: "Ragnar Klavan war wirklich krank, darum hat 'Luc' gegen Tottenham gespielt - und zwar herausragend." Gegen Hull davor und Leicester danach verdiente er sich jedoch andere Prädikate.

Was macht also Hoffnung vor dem richtungsweisenden Topspiel gegen den Vierten Arsenal? Arsenal. Die Saison der Gunners, bei einem Spiel weniger einen Punkt vor dem Fünften Liverpool, verläuft ähnlich wie die der Reds - nur umgekehrt: souverän gegen die Kleinen, unbeholfen gegen die Großen. Das Wichtigste aber: Arsenal (wohl mit dem zuletzt erkrankten Mesut Özil) verteidigt tendenziell wie Tottenham, nicht wie Leicester, und Trainer Arsene Wenger ist nicht dafür bekannt, seinen Stil grundsätzlich an den Gegner anzupassen. Das Hinspiel endete 4:3 für Liverpool , das Duell zuvor 3:3. Klopp winkt also der nächste Befreiungsschlag. Nur könnte er wieder trügerisch sein.

jpe