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Motorsport, Romain Dumas, Rekordversuch am Pikes Peak: "Ich kenne alle 156 Kurven auswendig"

Rekordversuch am Pikes Peak

"Ich kenne alle 156 Kurven auswendig"

Erst 24 Stunden Le Mans - und nun hinauf auf den Pikes Peak: Romain Dumas.

Erst 24 Stunden Le Mans - und nun hinauf auf den Pikes Peak: Romain Dumas. imago

Nur eine Woche, Herr Dumas, liegt zwischen Ihrem nach einem Fahrwerkschaden früh zu Ende gegangenen Start für Porsche in Le Mans und dem Rekordversuch am Sonntag mit dem Volkswagen I.D R Pikes Peak. Das klingt, als könnte das die wichtigste Woche Ihrer gesamten Karriere sein.
Ja und nein. Ich kenne die Situation ja, seit ich 2016 in Le Mans gewonnen habe und in der Woche danach auch am Pikes Peak. Das war auf jeden Fall die beste Woche meiner Karriere. Ich habe es also schon mal erlebt. Aber dieses Jahr ist es wirklich auch sehr wichtig, erst Le Mans, dann Pikes Peak, wobei ich ja wusste, dass ich im GT-Porsche 911 nicht um den Gesamtsieg fahren würde. Doch am Pikes Peak geht es dann um die Overall-Wertung.

Zwischen Le Mans und Colorado liegen 7600 Kilometer Luftlinie und sechs Stunden Zeitunterschied. Wie sind Sie dieses Doppelprojekt angegangen – mental und körperlich?
Durch die letzten drei Jahre bin ich schon gut daran gewöhnt. Am härtesten war, dass ich jetzt in den beiden Wochen vor Le Mans schon zweimal am Pikes Peak zum Testen war. Das war echt hart, ich weiß kaum mehr, wann ich schlafen soll und meine Stimme ist im Eimer (zieht eine Tablettenpackung hervor), weil ich mich im Flugzeug unterkühlt habe. Aber wenn du solche Chancen bekommst, dann steckst du das weg und tust es einfach. Du denkst eigentlich noch nicht einmal groß drüber nach.

Langstrecke: Gute Atmosphäre Schlüssel zum Erfolg

Sie haben schon acht 24-Stunden-Rennen gewonnen. Was macht aus einem Rennfahrer einen Langstreckenspezialisten?
Das Wichtigste als Langstreckenpilot ist es, mit seinem Team und den anderen Piloten extrem eng zusammenzuarbeiten. Das ist für mich der entscheidende Unterschied zwischen Single-Seat-Fahrern und Langstrecken-Piloten. Es kommt darauf an, eine gute Atmosphäre zu schaffen.

Ein großer Widerspruch ist immer, dass Ausdauerrennsport Teamwork bedeutet, aber Rennfahrer eigentlich Super-Egoisten sind und oft glauben, es auch sein zu müssen. Wie lässt sich das auf einen Nenner bringen?
Wenn du gute Teamkollegen hast, dann tun die genau das Gleiche wie du selbst. Ich bin sehr viel mit Marc Lieb und Timo Bernhard gefahren, da wusste ich schon ohne zu reden, was sie gerade denken. Auf dieses blinde Verständnis kommt es an, du kennst sie und du vertraust ihnen.

"Ein Fahrer sollte alles können"

Ebenso nicht ganz leicht kombinierbar wirkt eine Doppelnummer aus 24 Stunden auf flacher Rennstrecke mit einem benzingetriebenen Motor und dem Versuch, einen 4300 Meter hohen Berg in Rekordgeschwindigkeit mit Elektrokraft zu bezwingen. Unterschiedlicher geht eigentlich nicht. Was treibt Sie? Die Herausforderung? Die pure Freude?
Ein echter Rennfahrer für mich ist einer, der sich den unterschiedlichsten Situationen anpassen kann. Ich bin mit Porsche LMP1 und GT gefahren, ich habe viel Rallye gemacht, bin die Dakar gefahren oder den Pikes Peak. Aus meiner Sicht muss es sein wie früher, dass ein Fahrer alles können sollte.

Wie haben Sie den Pikes Peak als Herausforderung entdeckt?
Schon als Kind war das ein Traum von mir. Ich habe es im Fernsehen verfolgt und mir gesagt: Eines Tages machst du das.

Pikes Peak

Testfahrten mit dem I.D. R Pikes Peak in Colorado. Volkswagen Motorsport

Sie selbst haben den Pikes Peak als ziemlich gefährlich bezeichnet. Was ist für Sie gefährlich, gibt es etwas, das Ihnen zu gefährlich wäre?
Angst habe ich tatsächlich vor Oval-Rennen, Indy-500 oder Ähnliches. Ich hatte mal die Chance, es zu machen, da war ich schon 30 und mitten in einer guten Karriere mit Porsche. Am Ende hatte ich zu viel Angst, es zu tun. Aber auch der Pikes Peak ist nicht ungefährlich.

"Wenn du nur spürst, dass du ermüdest, ist es schon vorbei"

Sie sind ein Fahrer, der außergewöhnlich viel Wert auf Fitness legt. Erzählen Sie doch mal allen, die immer noch glauben, Motorsport sei im eigentlichen Sinn kein Sport, dass dies einfach falsch ist!
Auf dem Niveau, auf dem wir uns hier bewegen, musst du zu 100 Prozent fit sein. Du kannst nicht relaxt sein und dich auf einer Geraden ein bisschen ausruhen. Wenn du nur spürst, dass du ermüdest, ist es schon vorbei, zu spät. Okay, Pikes Peak, das sind nur neun Minuten, aber du startest auf 2800 Metern und endest in 4300 Metern. 20 Kilometer in weniger als neun Minuten auf dieser Meereshöhe sind für den Körper und mehr noch für die Konzentration wirklich sehr, sehr schwierig. Fehlerfrei fahren und sehr konzentriert sein – darum geht’s. Das geht nur über Fitness.

Kennen Sie denn alle 156 Kurven auswendig?
Selbstverständlich. Ich kann sie mit geschlossenen Augen im Kopf fahren und komme auf die gleiche Zeit. Ich habe viele Videos davon gesehen und mache es ja auch schon seit sechs Jahren (mit drei Gesamtsiegen, die Red.).

Sie geben Jacky Ickx als Ihr Idol an. Warum ihn und nicht etwa einen französischen Landsmann von Ihnen?
Ich mag ihn, und wir kennen uns eben auch sehr gut. Ich schätze sein Benehmen, und mehr noch als sein Charisma gefällt mir, dass er immer den Motorsport im Blick hat, sich lieber zurücknimmt als nach vorne zu drängen, und seine Antworten sind einfach immer wahr. Und mir gefällt natürlich auch seine Vielfältigkeit, dass er Le Mans gewonnen hat, die Dakar oder Große Preise in der Formel 1.

Wie fährt sich der Volkswagen I.D. R Pikes Peak?
Er ist extrem schnell, bis 100 km/h sogar schneller als ein Formel-1-Auto. Die Leute werden vom Speed überrascht sein. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir den bestehenden Elektrorekord verbessern werden.

Fällt auch Loebs Allzeit-Rekord? "Gerne!"

Auch die 8:13,878 Minuten, den Allzeit-Rekord von Sébastien Loeb aus dem Jahr 2013?
Wenn es nach mir geht, dann gerne. Wir müssen mal abwarten, was mir Volkswagen dazu sagen wird, denn ich fahre ja diesmal nicht mit meinem eigenen Team wie in den anderen Jahren. Es wird darauf ankommen, ob wir ausreichend Batteriekapazität haben, um damit über die ganze Distanz so schnell zu fahren, wie es das Auto eigentlich kann. Bis jetzt haben wir noch keine einzige Testfahrt von ganz unten bis ganz nach oben gehabt.

Wovon träumen Sie noch als Rennfahrer?
Vom Rekord am Pikes Peak als allererstes, das ist etwas für die Geschichtsbücher wie auch unser Distanzrekord in Le Mans mit Audi aus dem Jahr 2010. Und die 24 Stunden von Daytona würde ich gerne noch gewinnen. Wenn ich das schaffe, habe ich in der Endurance-Szene alles gewonnen, was man gewinnen kann. Das wäre dann auch ein guter Zeitpunkt zum Aufhören.

Interview: Stefan Bomhard

kicker-Redakteur Stefan Bomhard im Gespräch mit Romain Dumas (re.)

kicker-Redakteur Stefan Bomhard im Gespräch mit Romain Dumas (re.). privat