Bundesliga

Her mit dem Bayern-Gen!

München: Andreas Ottl der Gewinner des ersten Spiels

Her mit dem Bayern-Gen!

Nicht mehr der Amateurspieler, sondern vollwertiges Mitglied der Profis: Andreas Ottl.

Nicht mehr der Amateurspieler, sondern vollwertiges Mitglied der Profis: Andreas Ottl. imago

Ein junger blonder Mann fällt auf, weil er schneller ist als die anderen, wacher, fitter, und weil er sich ständig den Ball nimmt und ihn in den Winkel donnert, mal links, mal rechts. Es ist die erste Übungseinheit 2006/07, und schon ist klar: der junge blonde Mann, der wills jetzt wissen.

Fortan verpasst er, Andreas Ottl, 21 Jahre, 1,85 Meter groß, 77 Kilogramm schwer, keine Minute. Auch in den Testspielen marschiert er vorneweg, schießt zwei Tore und überzeugt seinen Trainer derart, dass er ihn zum Gewinner der Vorbereitung erklärt.

Ich muss den nächsten Schritt machen. Im zweiten Jahr musst du zusehen, dass du vorankommst.

Andreas Ottl

Das bleibt nicht ohne Belohnung: Am Freitag, nach 37 Tagen kräftezehrender Vorlaufzeit mit fiesen Sprints und nervigen Medizinbällen darf Andreas Ottl das Bundesliga-Auftaktspiel gegen Dortmund von Beginn an bestreiten. Nicht Podolski. Nicht dos Santos. Nicht Scholl oder Pizarro. Ottl spielt. Und er spielt gut.

Weil in den Testspielen, speziell beim 0:3 gegen 1860 München, nichts gestimmt hat, wählt Felix Magath für Dortmund eine neue Taktik: die Doppel-Sechs, zwei Absicherungen vor der Abwehr. Das ist Ottls Chance, neben Owen Hargreaves erhält er seinen Platz, rückt je nach Situation vor den Briten, mal dahinter. Wenn er den Ball kriegt, nimmt er den Kopf hoch, überlegt kurz und spielt dann einen klugen Pass, ohne Risiko zwar zum nächstbestplatzierten Mitspieler, dennoch klug.

Denn Ottl spürt, was seine längst nicht eingespielte Mannschaft momentan vor allem braucht: Sicherheit. Das Rezept geht auf, Bayern überzeugt, gewinnt 2:0. Ottl jubelt kaum, er stemmt nach Abpfiff beide Hände auf die Knie, atmet durch, puh, geschafft. Eine Stunde später sagt er: "Ich bin zufrieden. Es ist gut gelaufen."

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Das ist es. Andreas Ottl heißt der erste Gewinner nach der WM. Ein echter Münchner, den Franz Beckenbauer, Robbie Williams und seine Freundin Veronika faszinieren, der es mag, zu Hause im Garten zu sitzen oder, wenns lieber etwas lauter sein soll, Konzerte von den Sportfreunden Stiller zu besuchen. Der Putzen meidet und mal Bungee Jumping ausprobieren will.

Der gerne "O. C. California" schaut, eine originelle Fernsehserie für junge Leute mit meist witzigen Dialogen, in der ein zum Scheitern vorverurteiler Vorstadtrüpel von einer wohlhabenden Familie aufgenommen wird. Statt Knast bietet sie ihm ein Poolhaus, und so versucht er fortan, sich in der Welt der Reichen und Schönen durchzuboxen.

Andreas Ottls Vorgeschichte klingt nicht so dramatisch. Er hat die Mittlere Reife gepackt, sein Vater ist Bankfachwirt. Aber auch er versucht, beim Münchner Glamourklub seinen Platz zu finden, obwohl Glamour nicht sein Ding ist. Momentan gelingt ihm das ganz gut.

"Er kriegt jetzt Spielpraxis, entwickelt sich weiter", sagt Owen Hargreaves. Der 25-Jährige weiß, wovon er spricht, "bei mir wars genauso".

Mit elf wechselt Ottl vom SV München-Lerchenau zu den Bayern, wird B-, A-Jugend und Regionalligameister, darf 2005 zur U-20-WM. Vergangene Saison schafft er den Sprung zu den Profis, schnuppert achtmal in die Bundesliga rein und erlangt frühe Berühmtheit, als er am 33. Spieltag in Kaiserslautern jenes Tor schießt, dass die Bayern zum Meister macht.

Andreas ist jetzt viel präsenter auf dem Platz. Ich kann ihm nur raten: Weiter so!

Felix Magath

Die plötzliche Aufmerksamkeit ist ihm unangenehm, schüchtern feiert er den Titel am Abend in Köln. Während es die Teamkollegen auf der Tanzfläche krachen lassen, steht Ottl brav am Rande. Er ist ein ruhiger Typ Marke Grübler. Er trägt die Fußballschuhe klassisch schwarz, nicht weiß wie die Teenie-Idole Schweinsteiger oder Santa Cruz, nicht rot wie Podolski.

Jetzt aber, in seiner zweiten Profisaison, greift der ruhige Ottl an. "Ich muss den nächsten Schritt machen", sagt er. Als Lehrling hat er das erste Jahr gesehen, "du musst erst mal schauen, wie es im Profi-fußball abläuft". Das hat er getan, also folgert er nun: "Im zweiten Jahr musst du zusehen, dass du vorankommst. Du musst zeigen, dass du nicht mehr der Amateurspieler, sondern ein vollwertiges Mitglied der Profimannschaft bist."

Selbstbewusst kommen diese Worte daher, ungewohnt selbstbewusst. Der ruhige Ottl hat sich eine kräftige Portion Bayern-Gen geschnappt, tritt nun so auf, wie ihn seine Chefs sehen wollen, so eben, wie man es bei Bayern zu was bringt. Gegen Dortmund verteilt er sogar das eine oder andere Kommando. Prompt lobt Felix Magath: "Andreas ist jetzt viel präsenter auf dem Platz. Ich kann ihm nur raten: Weiter so!"

Bernd Salamon

Ottl und der kleine Kreis - oder: Echte Münchner bei Bayern

Name BL-Debüt für Bayern BL-Einsätze/Tore heutiger Verein
Markus Babbel 3.8.1991 287/12 VfB Stuttgart
Berkant Göktan 4.10.1998 28/2 ohne Verein
Zvjedzdan Misimovic 12.4.2003 34/3 VfL Bochum
Christian Lell 4.10.2003 30/0 Bayern München
Andreas Ottl 13.8.2005 9/1 Bayern München
Philipp Lahm 19.11.2005 74/2 Bayern München