Bundesliga

Fast eine Million Euro: Eintracht zahlt Rekordstrafe wegen Fanvergehen

Eintracht-Vorstand Reschke: "Der Weg des Dialogs ist alternativlos"

Fast eine Million Euro: Eintracht zahlt Rekordstrafe wegen Fanvergehen

Die Vorkommnisse beim Finale in Berlin sorgten auch bei den Frankfurter Fans für Diskussionen.

Die Vorkommnisse beim Finale in Berlin sorgten auch bei den Frankfurter Fans für Diskussionen. IMAGO/camera4+

Das DFB-Sportgericht bestraft die Eintracht für "unsportliches Verhalten" ihrer Anhänger bei den Ligaspielen auf Schalke (70.000 Euro), gegen Stuttgart (1000 Euro) und Augsburg (1000 Euro) sowie für die Partien im DFB-Pokal in Stuttgart (84.000 Euro) und gegen Leipzig (258.100 Euro) mit insgesamt 414.100 Euro. Der Klub hat dieser Sanktion zugestimmt. Zuvor verhängte der DFB bereits Geldstrafen in Höhe von 447.100 Euro, hinzu kommen 115.000 Euro, die von der UEFA als Sanktion ausgesprochen wurden. In der Summe betragen die Strafzahlungen 976.200 Euro - ein trauriger Saisonrekord.

"Wir werden diese Entwicklung zurückdrehen müssen", betont der unter anderen für Fanangelegenheiten zuständige Vorstand Philipp Reschke. Der Jurist sitzt in der DFB-Kommission Fans und Fankulturen, auch aus den Gesprächen in diesem Gremium kommt er zum Schluss: "Dieser Trend ist kein Frankfurter Alleinstellungsmerkmal." Er sieht einen bundes- und europaweiten gesellschaftlichen Trend, dass Konflikte lauter und auch physischer ausgetragen werden. Das setze sich in den Fußballstadien fort. Bei Pyrotechnik gebe es seit Corona einen "Paradigmenwechsel". Reschke bekräftigt allerdings: "Das rechtfertigt gar nichts und ist nicht als Entschuldigung zu verstehen."

Es gibt kein Patentrezept, die Frankfurter Fanproblematik zu lösen. Die Ultras und die Hooligans der Brigade Nassau einfach aussperren? Wie prächtig das funktioniert, hat das Champions-League-Spiel in Neapel gezeigt. Da schossen die italienischen Behörden ein Eigentor mit Ansage, indem sie den Ticketverkauf an Eintracht-Fans untersagten. Die harten Jungs reisten trotzdem an und lieferten sich in der Stadt schwere Auseinandersetzungen mit bewaffneten Napoli-Hooligans und der Polizei. Alles in allem handelte es sich um ein Musterbeispiel für behördliches Versagen. Im Stadion wäre die Lage leichter zu kontrollieren gewesen. Hinzu kommt: Die Ultras sind Teil der bunten und lauten Frankfurter Fankultur, ihre aufwendigen Choreografien sorgen auch überregional für Bewunderung.

"Was in Berlin passiert ist, hat in der Fanszene etwas in Bewegung gebracht"

Dennoch darf es nicht einfach so weitergehen. Beim Pokalfinale in Berlin wurden nicht nur Bengalos abgebrannt, es wurden auch etliche Böller gezündet und Leuchtspurmunition abgefeuert. Laut Berliner Polizei gab es rund um das Endspiel 36 verletzte Einsatzkräfte. "Was in Berlin passiert ist, hat in der Fanszene etwas in Bewegung gebracht. In vielen Teilen der Szene war man sich einig, dass das zu weit ging", berichtet Reschke. Insgesamt verhängte die Eintracht in der vergangenen Saison etwa 45 Stadionverbote, die zum Teil zur Bewährung ausgesetzt sind.

Doch in Repressionen und Kollektivstrafen sieht Reschke keine Lösung. Vielmehr will der 50-Jährige weiterhin auf Gespräche setzen: "Was wir in der Kommission sehr klar festgestellt haben: Der Weg des Dialogs mit diesen Gruppen und Szenen ist alternativlos." Nur so bestehe die Möglichkeit der Einflussnahme. Diese Haltung ist nachvollziehbar, angesichts von fast einer Million Euro Strafe stellt sich trotzdem die Frage, ob die Kommunikation gescheitert ist. Reschke sieht das nicht so. Zumal er ahnt: "Wenn wir nicht mehr auf Dialog setzen, entziehen sich alle. Dann bist du blind und erreichst keinen mehr. Das wäre fatal."

Eine Lösung "im klassischen Sinne" sieht er nicht, weil das "kein lösungsfähiges Thema" sei. Das Abbrennen von Pyrotechnik gehört für einen Teil der Fanszene eben zur Fankultur. Reschke sieht allerdings eine "Schieflage", die korrigiert werden müsse. Das heißt wohl: keine Böller, keine Leuchtspur, insgesamt weniger Pyrotechnik. Die Summe der Strafen in der kommenden Spielzeit wird einen Fingerzeig liefern, ob das gelingt.

Kollektivstrafe der UEFA trifft die Falschen

Ein heikles Thema erwartet die Eintracht rund um das Heimspiel in den Play-offs zur Conference League. Wegen einer UEFA-Strafe ist der Unterrang der Nordwestkurve im nächsten internationalen Heimspiel gesperrt, das betrifft die Blöcke 36 bis 42 - und damit auch all die Zündler in der Kurve. Ins Stadion werden sie trotzdem kommen. Reschke kündigt an, die Dauerkartenbesitzer aus den gesperrten Blöcken in anderen Bereichen des Stadions zu verteilen - zum Leidwesen der friedlichen Fans, die dann keine Karte erhalten. Ist das fair? Reschke argumentiert, dass er keine Gruppe ausschließen will. Zudem vermutet er, dass viele der betroffenen Anhänger anderweitig an Karten in anderen Blöcken kommen könnten. Auch im Sinne der Sicherheit will er, dass der harte Kern der Fanszene zusammenbleibt. Schlussendlich trifft die Kollektivstrafe der UEFA also die Falschen, nämlich jene Fans, die über keine Dauerkarten verfügen und ihr Glück beim Verkauf der Tagestickets versuchen müssen.

Die Gesamtsituation wirkt verfahren. Unglücklicherweise trifft die Eintracht gleich zu Saisonbeginn nacheinander auf Lok Leipzig, Darmstadt 98, Mainz 05 und den 1. FC Köln. Tolle, stimmungsvolle Duelle, die angesichts der Rivalität aber wahrscheinlich nicht rauch- und straffrei ablaufen werden. Schon in der ersten Pokalrunde bei Lok Leipzig kann es heiter werden - die Ultras Frankfurt pflegen eine enge Freundschaft mit Chemie Leipzig...

Bereits in der vergangenen Saison haderten die Eintracht-Verantwortlichen hinter vorgehaltener Hand mit fehlendem Losglück. Die Champions-League-Spiele gegen Neapel und Marseille sowie die Partien im DFB-Pokal in Magdeburg, gegen Darmstadt und gegen RB Leipzig waren hinsichtlich der Sicherheit heikel bis gefährlich. Auch dieser Umstand trug zur Rekordstrafe bei.

Julian Franzke

Die Heimtrikots der Bundesligisten für die Saison 2023/24