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Ex-Bengals-Profi Böhringer: "Man hat gespürt, dass es Burrows Team sein wird"

Deutscher Wide Receiver gibt Einblicke in das Innenleben des Super-Bowl-Teilnehmers

Ex-Bengals-Profi Böhringer: "Man hat gespürt, dass es Burrows Team sein wird"

Bei den Bengals vom Wide Receiver zum Tight End umgeschult: Moritz Böhringer.

Bei den Bengals vom Wide Receiver zum Tight End umgeschult: Moritz Böhringer. picture alliance/AP Photo

kicker: Herr Böhringer, haben Sie mal einen Pass von Joe Burrow gefangen?

Moritz Böhringer (28): Ja, ein paar Mal haben wir zusammen trainiert. Meistens haben wir uns aber nur in Meetings gesehen. Es war gerade die Anfangszeit von Corona, da fand das meiste online statt.

Burrow kam 2020 als First Overall Pick und Hoffnungsträger zu den Bengals, Sie waren noch einige Monate sein Teamkollege. Wie war Ihr Eindruck von ihm?

Er hat viel Selbstvertrauen mitgebracht vom College, wo er ja sehr erfolgreich war. In jedem Meeting ist er sehr selbstbewusst aufgetreten. Man hat schon gespürt, dass es in naher Zukunft sein Team sein wird.

Was zeichnet Burrow als Quarterback aus?

Er gibt nie auf, ihn wirft nichts zurück. Er hat sich das Kreuzband gerissen und ist zurückgekommen, als wenn nichts gewesen wäre. Diese Einstellung sieht man auch während des Spiels. Wenn mal etwas nicht klappt, ist es schnell abgehakt und es geht mit dem nächsten Spielzug weiter. Diese Einstellung braucht man auch, wenn man Quarterback auf einem hohen Niveau spielen will.

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Als Sie die Bengals und damit die NFL im Sommer 2020 verließen, hatte das Team gerade die schlechteste Bilanz der NFL hingelegt. Keine zwei Jahre später stehen Ihre alten Kollegen im Super Bowl. Hätten Sie das für möglich gehalten?

Im Jahr, bevor Burrow gepickt wurde, haben wir viele Spiele knapp verloren. Das war auch danach noch so. Das Team war nie schlecht, es hat einfach in jedem Spiel ein bisschen was gefehlt. Es waren vielleicht zwei Spiele, die deutlicher ausgegangen sind und sieben oder acht waren knapp. Wenn man die jetzt alle gewinnt, geht man in die Play-offs und die haben dann ihre eigenen Gesetze. Wenn man da einen guten Run hat, kann man auch in den Super Bowl kommen. Aber klar: Dass es so schnell passiert, haben die wenigsten erwartet.

Haben Sie noch Kontakt zu Teamkollegen aus Ihrer Bengals-Zeit?

Es ist nicht so, dass ich die ganze Zeit mit jemanden schreibe. Mit den Tight Ends von damals habe ich noch ein bisschen Kontakt - C.J. Uzomah, Mason Schreck, Drew Sample.

Sie haben den größten Teil Ihrer NFL-Zeit - zuerst bei den Minnesota Vikings, dann bei den Bengals - im sogenannten Practice Squad verbracht. Wie kann man sich den Alltag dort vorstellen?

Man macht im Prinzip genau das gleiche wie die Spieler im aktiven Team. Man kann ja am Ende jeder Woche aktiviert werden. Am Spieltag standen wir an der Sideline und sind vor dem Spiel Routen gelaufen, haben dann halt nicht gespielt.

Vielleicht war in Minnesota alles ein kleines bisschen strenger.

Moritz Böhringer über seine Zeit bei den Vikings

Bengals-Coach Zac Taylor gilt als eine der großen Überraschungen dieser Saison. Was ist er für ein Typ?

Er ist sehr nah an den Spielern dran. Man hatte viel mit ihm zu tun, mehr als zum Beispiel mit Mike Zimmer in Minnesota, mit dem ich - natürlich auch, weil er ein Defensive Coach ist - kaum etwas am Hut hatte.

Zimmer, der zuletzt bei den Vikings entlassen wurde, kommt zudem aus einer anderen Trainer-Generation.

Vielleicht war in Minnesota auch alles ein kleines bisschen strenger (lacht).

Was macht im Vergleich dazu die Bengals als Franchise aus?

Es gibt dort eine gewisse Underdog-Mentalität, vieles ist eine Nummer kleiner als anderswo. Cincinnati ist eine eher kleinere Stadt, es gibt viel Konkurrenz in der Nähe: In Ohio gibt es noch die Browns, auch Pittsburgh ist nicht weit weg. Das Problem bei den Bengals ist, dass das Trainingsgelände sehr zentral in Downtwon Cincinnati gelegen ist. Es ist nicht viel Platz dort. Es gibt keine richtige Indoor Facility, dafür mussten wir immer zum Gelände der College-Mannschaft fahren.

Klingt nach einer eher beschaulichen Organisation innerhalb des großen NFL-Zirkus.

Der Teambesitzer (Mike Brown, d.Red.) ist bei jedem Training, sitzt auf seinem Golfcart und guckt zu. Das ist wirklich ungewöhnlich in der NFL. Er ist immer da, redet mit allen Leuten und steht im Weg rum (lacht). Kann er ja machen, ist ja sein Team. Er liebt Football, ist ein ganz entspannter Typ, kein verrückter Reicher.

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Sie waren 2016 der erste deutsche Spieler auf einer sogenannten Skill Position in der NFL -  gedraftet direkt von den Schwäbisch Hall Unicorns aus der GFL, ohne im College gespielt zu haben. Aus Ihrer Heimatstadt Aalen mittenrein in das Business der NFL, das muss doch ein Kulturschock gewesen sein.

Der größerer Unterschied war eher, dass ich bis dahin bei meinen Eltern gelebt hatte. Dann zieht man von zu Hause aus und es geht gleich in ein anderes Land, in dem ich niemanden gekannt habe.

Dazu kamen die Anpassungen sportlicher Natur. Was waren die größte Schwierigkeiten für Sie als Wide Receiver im Vergleich zur GFL?

Es waren viele Kleinigkeiten in der Technik. Mir haben einfach die Reps gefehlt, weil man in Deutschland weniger Zeit zum Trainieren hat. Die Jungs in der NFL kommen aus dem College, wo sie zweimal am Tag trainieren. Bei mir war zweimal die Woche Training - wenn's hochkommt. Im Sommer hatte ich Pause und im Winter auch nochmal. Von den körperlichen Voraussetzungen gab es nicht wirklich einen Unterschied, von der Kraft oder dem Tempo her konnte ich schon mithalten. Aber in der GFL müssen die Routen nicht so genau gelaufen werden, weil man immer ein bisschen mehr Platz hat. Den meisten Gegenspielern war ich athletisch überlegen, in der NFL waren das dann ebenbürtige Leute. Dann ist es einfach schwer, wenn man technisch nicht so perfekt ist wie die anderen.

Zumal Sie im Vergleich zu Ihren Kontrahenten erst extrem spät mit Football angefangen haben …

Genau, das war das größte Problem. Bis ich angefangen hatte, hatte ich ja keine Ahnung, was der Sport überhaupt ist. Da war ich schon fast 18. Die meisten Spieler in den USA haben in dem Alter zehn Jahre Football gespielt und 17 Jahre Football geguckt. Ich hatte nichts davon. Dann muss auch das taktische Verständnis erstmal aufgebaut werden. Bevor ich in die NFL kam, hatte ich ja auch nur ein Jahr bei den Schwäbisch Hall Unicorns in der GFL gespielt, davor war ich in Crailsheim. Da weiß ich nicht mal, welche Liga das überhaupt war (lacht). Wir sind fast immer die gleichen Routen gelaufen und hatten kaum echtes Training. Von da war es schon ein großer Schritt, überhaupt nach Schwäbisch Hall zu gehen. Und dann ein Jahr später in die NFL …

Mittlerweile sind Sie zurück in Deutschland, standen zuletzt mit den Schwäbisch Hall Unicorns im German Bowl. Wie sehen Ihre Ambitionen aus?

Wenn alles funktioniert, bin ich im Juli fertig mit dem Maschinenbau-Studium. Dann habe ich vor, wieder in die USA zu gehen, weil meine Freundin in Cincinnati lebt, und dort ein "normales Leben" zu führen.

Ein normales Leben ohne Football?

Es gibt ja kaum Amateurteams, also wird es vielleicht eher Basketball oder Fußball.

Moritz Böhringer

Zurück in Deutschland: In der abgelaufenen GFL-Saison lief Moritz Böhringer wieder für die Schwäbisch Hall Unicorns auf. imago images/eu-images

Sehen wir Sie davor noch in der kommenden GFL-Saison?

Da die GFL-Saison erst im Oktober vorbei ist, weiß ich das noch nicht genau. Es kann auch sein, dass ich gar nicht oder nur teilweise spiele. Aber ich würde schon noch gerne den German Bowl gewinnen, der fehlt mir noch. Sonst hätte ich wahrscheinlich schon aufgehört.

Sie haben als erster deutscher Wide Receiver Pionierarbeit für den Football-Sport in Deutschland geleistet, zuletzt kamen in Jakob Johnson und den St.Brown-Brüdern weitere deutsche NFL-Spieler hinzu. Künftig wird es Regular-Season-Spiele in München und Frankfurt geben. Was hat sich in Deutschland rund um den Sport getan, seit Sie 2016 gedraftet wurden?

Ich kann mich noch an meine Anfangszeiten in Aalen erinnern. Wir hatten nur fünf Spieler und mussten nach Crailsheim, um überhaupt in einer Mannschaft spielen zu können. Der Super Bowl kam vielleicht im Fernsehen und den hat schon kaum jemand angeschaut. Als ich nach Amerika bin, hatte es schon ein bisschen angefangen, dass die Play-offs gezeigt wurden. Jetzt kann man jeden Sonntag ein oder zwei Spiele im Free-TV schauen, der Super Bowl ist auch in Deutschland ein riesiges Event.

Schlägt sich das auch im Professionalisierungsgrad der deutschen Teams nieder?

Es hilft natürlich, weil mehr Leute zum Sport kommen. Aber es braucht noch Zeit. Die Kinder und Jugendlichen müssen jetzt ja erst einmal anfangen und dann besser werden. Deswegen hinkt man hier schon noch ein bisschen hinterher. Aber einiges hat sich auch verbessert, beispielsweise gibt es jetzt mehr Teams als zu meinen Anfangszeiten.

In der Nacht von Sonntag auf Montag fiebern Sie jetzt wieder mit Ihrem Team aus Ohio mit. Wie hoch gewinnen die Bengals den Super Bowl?

23:20, durch ein Field Goal am Ende.

Interview: Michael Bächle