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Emotionaler Suarez: Der besondere Dank der Bestie

Uruguay hat wieder alle Chancen

Emotionaler Suarez: Der besondere Dank der Bestie

Ließ am Donnerstag Tore sprechen: Luis Suarez war nach dem 2:1 gegen England von den Gefühlen überwältigt.

Ließ am Donnerstag Tore sprechen: Luis Suarez war nach dem 2:1 gegen England von den Gefühlen überwältigt. Getty Images

Aus Sao Paulo berichtet Hans-Günter Klemm

Die ersten Worte beim Interview brachte er noch soeben über die Lippen. Luis Suarez sprach darüber, wie wichtig der Sieg gewesen sei. Als er dann über sich sprechen wollte, versagte seine Stimme. "Für mich nach meiner Verletzung...", hörten die Zuschauer am Fernsehen noch seine ersten Worte, bevor der Matchwinner für Uruguay beim 2:1-Erfolg gegen England in Tränen ausbrach und davonrannte. Es war der emotionalste Moment dieser Weltmeisterschaft, die am Donnerstag auch die Tränen des Ivorers Serey Dié erlebt hat.

Spielersteckbrief Suarez
Suarez

Suarez Luis

Die Augen des Doppel-Torschützen hatten schon auf dem Spielfeld eine gewisse Feuchtigkeit nicht verbergen können. So war es, als er kurz nach dem entscheidenden 2:1 jubelnd abdrehte, als er von seinen Kollegen bei der Gratulationscour fast erdrückt worden wäre und als er nach dem Schlusspfiff, als alle Kameraden ihn herzen wollten, auf einigen Schultern über den Platz getragen wurde.

England mit fünf Liverpoolern, Uruguay mit einem: Suarez

Es ist schließlich auch eine Geschichte der besonderen Art, die er an diesem zweiten Spieltag der Gruppe D geschrieben hat. In der Premier League verdient der 27-Jährige seine Millionen. Auf der Insel wählten sie den Torschützenkönig, für den 31 Saisontore zu Buche stehen, zum Fußballer des Jahres. Beim Warmlaufen hatte er seine Teamkollegen aus Liverpool, die die Hälfte der englischen Auswahl stellten, noch freundlich begrüßt. Doch nachdem der Spanier Carlos Velasco Carballo angepfiffen hatte, war es mit der Freundlichkeit vorbei. Der Vollblutstürmer verwandelte sich, wie es Uruguays Kapitän Diego Godin beschrieb, "in eine Bestie, wie immer".

So kennt ihn die Fußball-Welt, als den Stürmer mit dem Killerinstinkt. Aus allen Lagen trifft er, wenn er nur einen Zentimeter Raum bekommt. In der Partie gegen seinen "Brötchengeber" England sah dies konkret so aus: Ein präziser Kopfball nach Cavani-Flanke, wobei er das Kopfballduell mit Jagielka gewann. Danach ein wuchtiger Schuss, als das Abseits aufgehoben wurde, weil Gerrard und diesmal nicht Cavani ihn bedient hatte - die Entscheidung in der 85. Minute einer packenden und niveauvollen Partie.

Vom Verletzten zum Matchwinner: Suarez' Geste nach dem 1:0

Und der Clou bei seiner Erfolgsstory: Fast auf den Tag genau vor vier Wochen musste sich Suarez auf den Operationstisch legen. Ein chirurgischer Eingriff an seinem lädierten Knie war unausweichlich. Die WM schien für ihn gelaufen, bevor sie begonnen hatte.

Auch wenn es nur eine relativ kleine Operation gewesen sein soll, es grenzt schon fast an medizinisches Wunder, dass der Torjäger so schnell wieder fit und zu einem der Hauptdarsteller beim World Cup avancieren konnte. Fast logisch, dass er da nach seinem Tor zum 1:0 zur Bank lief und sich herzlich bei Kinesiologe Walter Ferreira bedankte, der mit ihm intensiv am Blitzcomeback gearbeitet hatte.

Uruguay will in die K.o.-Runde - mit Suarez, Cavani und Leidenschaft

Im ersten Spiel hatte Suarez noch gefehlt, in der zweiten Partie war Trainer Oscar Tabarez froh, ihn aufbieten zu können, zumal mit dem am Knie verletzten Abwehrspieler Lugano und dem gesperrten Maxi Pereira zwei Leistungsträger ausfielen. "Eine große Leistung von uns, aber auch von Luis", würdigte Ersatz-Kapitän Diego Godin und spielte somit auch auf die kurze Genesungszeit des Stars an. "Es ist schon beeindruckend, wie er nach seiner Verletzung zurückgekommen ist."

Mit dem spielstraken Edinson Cavani bildet Suarez eines der momentan stärksten Sturmduos auf der Welt, wodurch Diego Forlan, in Südafrika noch zum besten Spieler des Turniers gewählt, auf die Bank rücken musste. Es ist der Pluspunkt für den Vierten der letzten WM, der ansonsten auf seine üblichen Tugenden zählen darf. "Leidenschaftlich und aufopferungsvoll", so charakterisiert der bei Paris St. Germain beschäftigte Cavani die Stärken des Teams, das in dem defensiven Mittelfeldspieler Egidio Arevalo noch einen weiteren Anführer besitzt.

Tabarez warnt: "Wir sind noch nicht qualifiziert"

Nach der Niederlage gegen Costa Rica (1:3) hatten viele Uruguay schon abgeschrieben. Nun müssen sie alle dieses robuste und rustikale Kollektiv wieder auf der Rechnung haben. Bei der komplizierten Tabellensituation, die sich erst ein wenig nach dem Freitag-Spiel klären könnte, ergeben sich für die "Celeste" gute Chancen, in die zweite Runde zu gelangen. "Wir sind noch nicht qualifiziert", sagte Tabarez nach dem Achtungserfolg an. Die Spieler sind zwar zuversichtlich, sehen es aber genauso wie der Coach. Abwehrchef Godin: "Das war erst das erste Finale, das nächste folgt gegen Italien."