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Zidane hält Wort: Der verdiente Meister heißt Real Madrid

Den 34. Titel holt die Defensive

Zidane hält Wort: Der verdiente Meister heißt Real Madrid

Der Meister-Dirigent: Trainer Zinedine Zidane.

Der Meister-Dirigent: Trainer Zinedine Zidane. Getty Images

Die durch Covid-19 ohnehin verzögerte Saison hätte wahrscheinlich noch ewig andauern können, Real Madrids mitunter verschwiegener Trainer Zinedine Zidane wäre sich Pressekonferenz für Pressekonferenz wohl für keine Floskel zu schade gewesen. Doch wer will es dem Franzosen verdenken, scheint sein zweiter Meistertitel als Coach doch genau auf solchen Phrasen zu beruhen.

Was Madrid zwölf Jahre nicht gelang

"Die Offensive gewinnt dir Spiele, aber die Defensive Meisterschaften", heißt es so schön - und es fällt auf, dass offensiv zuletzt selten spektakuläre, defensiv dafür ungewohnt unaufgeregte und disziplinierte Königliche erstmals seit der Saison 2007/08 (!) weniger Gegentore hinnehmen mussten als der FC Barcelona.

"Geld schießt keine Tore", wäre die nächste Floskel - die auf den ersten Blick natürlich negativ klingt. Was sie zugegeben auch ist, schließlich konnten weder 100-Millionen-Mann Eden Hazard mit einem Saisontor noch 60-Millionen-Mann Luka Jovic mit deren zwei große Bäume für Spaniens Rekordmeister ausreißen - um im sprichwörtlichen Jargon zu bleiben.

Der Königstransfer spielt hinten links

Das beste Geld, das Real Madrid im vergangenen Sommer investierte, ist gar nicht dazu da, um Tore zu schießen - es verhindert sie. Beziehungsweise die verpflichteten Spieler, wie Ferland Mendy (50 Millionen Euro Ablöse an Olympique Lyon), dem es gelang, eine klaffende Lücke im traditionell anfälligen Defensiv-Verbund zu schließen. Längst hat der dynamische Linksverteidiger dem gegen den Ball noch nie tadellosen Marcelo den Rang abgelaufen.

Denselben Betrag überwiesen die Blancos dem FC Porto für Innenverteidiger Eder Militao, einen soliden dritten Mann in der Abwehrzentrale, für den Fall, dass Sergio Ramos oder Raphael Varane einmal unpässlich sind. Der junge Brasilianer lieferte trotz qualitativer Streuung die eine oder andere wichtige Performance ab und deutete sein Potenzial an, weitere Jahre in Madrid bleiben und künftig auch häufiger eingesetzt werden zu können.

Das Hauptziel ist die Liga.

Zidane nach seiner Rückkehr im April 2019

Zidanes wichtigstes Zitat, zur Abwechslung mal eines mit einer ganzen Menge Aussagekraft, hatte er bereits gegen Ende der verkorksten letzten Saison getätigt, als der Erfolgscoach als dritter Real-Trainer binnen einer Spielzeit an die Concha Espina zurückgekehrt war: "Das Hauptziel ist die Liga." War der Titelhunger in der Champions League nach vier Triumphen in fünf Jahren zur Genüge gestillt, hatten die Blancos in der Meisterschaft viel zu häufig nur die Rücklichter des FC Barcelona gesehen. Der Fokus war also klar.

Real seit Re-Start wie eine Maschine

Auch wenn Zidane sein Kollektiv fußballerisch nicht unbedingt auf ein neues Level hob, war dem Team im Vergleich zum auch statistisch schwächsten Barça seit zwölf Jahren die höhere Konzentration, Geradlinigkeit und Kaltschnäuzigkeit anzumerken. Diverse kleine Ergebniskrisen hatten Madrid zwar daran gehindert, die Katalanen in der Tabelle frühzeitig abzuhängen, speziell nach der Corona-Zwangspause ließ die königliche Maschinerie jedoch keine weiteren Patzer zu.

Königliche VAR-Agenda? Raphael Varane (3.v.r) bekam im Clasico zwei Elfmeter nicht.

VAR-Agenda pro Real Madrid? Raphael Varane (3.v.r) bekam im Hinrunden-Clasico (0:0) zwei Elfmeter nicht. Getty Images

In den eng getakteten Wochen seit dem Re-Start verdeutlichte Real Madrid, warum es am Ende der Saison 2019/20 zurecht ganz oben steht: Die Königlichen hatten den breiteren Kader, die stabilere Defensive, mehr Ruhe im Umfeld, wesentlich mehr Konstanz in ihren Auftritten - und am Ende sogar den stärkeren Kapitän: Barças Lionel Messi überragte in Spielen gegen Teams aus dem oberen Tabellendrittel verhältnismäßig selten, wobei der Ausnahmekönner trotzdem noch das Zugpferd kriselnder Katalanen war, die sich schließlich nur noch in nicht ausschlaggebende VAR-Polemik flüchten konnten.

Ich bin die ideale Person für diese Drucksituation. Wenn es um drei Punkte geht - umso besser.

Elfmeter-Spezialist Sergio Ramos

Reals Anführer Sergio Ramos hingegen spielte, speziell nach der Zwangspause, hinten so gut wie seit Jahren nicht, vorne erzielte der 34-jährige Elfmeter-Spezialist und Freistoß-Künstler zudem etliche entscheidende Tore - seit Re-Start sogar mehr als Messi. "Ich bin die ideale Person für diese Drucksituation. Ich mache das mit Freude, und wenn es um drei Punkte geht - umso besser", erklärte Ramos selbst, der seine letzten 22 Elfmeter allesamt verwandelte.

Ein Mann für besondere Momente: Karim Benzema.

Ein Mann für besondere Momente: Karim Benzema. Getty Images (2)

Perez' Wunschkeeper stellt Oblak und ter Stegen in den Schatten

Apropos entscheidende Tore: Mit mehreren Treffern und Vorlagen der Marke sehenswert erwies sich Karim Benzema im zweiten Jahr nach Cristiano Ronaldo endgültig als offensiver Fixpunkt und Lebensversicherung in einer Sturmreihe, die vereinzelt Zweifel an der 34. Meisterschaft aufkommen lassen hatte, an deren Gewinn sich Madrid schlussendlich nur noch selbst hätte hindern können.

Doch die Königlichen schlugen Atletico und Barça, blieben gegen beide großen Rivalen sogar ohne Gegentor. Sie gewannen jedes ihrer letzten zehn Spiele, wobei Courtois nur viermal hinter sich greifen musste. Was neben Ramos, Varane, Mendy und einem rigorosen Casemiro vor allem an Präsident Florentino Perez' Wunschkeeper selbst lag, der nach einer schwierigen ersten Saison insgesamt 18-mal zu Null spielte und die prominente Konkurrenz, namentlich Marc-André ter Stegen und Jan Oblak, 2019/20 in den Schatten stellte - zur Freude seines Trainers: "Für mich ist er der beste Torwart der Welt." Und das dürfte Zidane nicht mal eben daher gesagt haben.

Niklas Baumgart

Knipser Ramos und Asensios Traum-Comeback: Real Madrids Weg zum Titel