Kaum war am Montagabend im Premier-League-Spiel zwischen Tottenham und Everton der Halbzeitpfiff ertönt, gab es plötzlich Aufregung: Spurs-Keeper Hugo Lloris rannte noch auf dem Feld zu Teamkollege Heung-Min Son und knöpfte ihn sich lauthals vor, schubste ihn sogar. Mehrere Mitspieler mussten ihren Kapitän zurückhalten.
Es ging offenbar darum, dass Son in der Nachspielzeit des ersten Durchgangs bei einer Everton-Chance nur halbherzig verteidigt hatte. "Das ist Teil des Fußballs", sagte Lloris später im englischen TV. "Das gehört in die Kabine - außerhalb könnt ihr sagen, was ihr wollt. Es gibt kein Problem. Als das Spiel zu Ende war, konntet ihr sehen, dass wir mehr als glücklich waren."
Mourinho: "Wenn Sie jemandem die Schuld dafür geben wollen, dann mir"
Da hatten sich Son und Lloris jedenfalls wieder lieb - und ihr Trainer José Mourinho sie erst recht. "Wunderschön" nannte "The Special One" den Vorfall. "Das ist wahrscheinlich eine Folge unserer Teambesprechungen. Wenn Sie jemandem die Schuld dafür geben wollen, dann mir. Ich habe meine Jungs kritisiert, weil sie untereinander nicht kritisch genug waren. Ich habe verlangt, dass sie gegenseitig fordernder sein sollen." Jeder möge Son, "aber der Kapitän hat ihm gesagt, mehr für die Mannschaft zu tun. Das ist manchmal nötig, um zu wachsen."
Vielleicht war der Vorfall aber auch nur deswegen so aufregend, weil das Spiel davor und danach so dermaßen langweilig war: Tottenham gewann das Geisterspiel gegen Everton mit 1:0, vor der Pause hatten beide Mannschaften nicht einmal einen Schuss aufs Tor zustandegebracht. Dass die Spurs trotzdem in Front gegangen waren, lag daran, dass Keane einen eigentlich verunglückten Schuss von Lo Celso unhaltbar für seinen Torwart Pickford ins eigene Netz gelenkt hatte (24.).
Everton muss die Rest-Hoffnung auf Europa wohl begraben
Nach der Pause vergab der offensiv stets agile Son drei Chancen auf die Vorentscheidung (54./64./65.), während Everton blass blieb. Die Elf von Trainer Carlo Ancelotti war mit einem 0:0 gegen Liverpool und zwei Siegen so stark aus der Corona-Pause gekommen, muss jetzt die Rest-Hoffnung auf den Europapokal aber wohl begraben. In der Liga haben sie jetzt seit 15 Spielen, seit Dezember 2012 nicht mehr gegen die Spurs gewonnen.
Tottenham dagegen schob sich mit vier Punkten vor Everton auf den achten Platz und rehabilitierte sich für die schmerzhafte 1:3-Niederlage in Sheffield am vergangenen Donnerstag. Fünf Zähler fehlen fünf Spieltage vor dem Saisonende gegenüber dem Sechsten Wolverhampton.